Bildung

von Ralf Savelsberg

Die Leistungen deutscher Schüler sind nach den Ergebnissen der Pisa – Studie im internationalen Vergleich weit unter dem Durchschnitt angesiedelt.

Dem Unterricht an deutschen Schulen, auf weiten Strecken gekennzeichnet durch eine theoretische und lebensfremde Ausrichtung, durch ein Anhäufen von Fachwissen, fehlt es an handlungs- und anwendungsorientierter Kompetenz.

Schon in Goethes Faust heißt es:
„Habe nun ach Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie durchaus studiert mit heißem Bemühen. Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.“

Bildung im ganzheitlichen Sinne beinhaltet eine Vielzahl von Elementen:

  • Förderung von Wahrnehmungsfähigkeit
  • Förderung von Reflexionsvermögen und analytischen Fähigkeiten
  • Ausbildung individueller Stärken und Kompetenzen
  • Erziehung zu emotionaler Intelligenz
  • Unterstützung bei der Entwicklung von Identität und Persönlichkeit
  • Stärkung von Eigenverantwortung, Selbständigkeit und Souveränität
  • Stärkung von sozialer Verantwortung

Zur Umsetzung dieser Aspekte benötigen wir eine Neugestaltung des Lehrens und Lernens im Rahmen von ganzheitlichen Strukturen.
Methoden der Vermittlung von Bildung und der Bildungserwerb sind hier gleichermaßen von Bedeutung.

Als Grundlage hierfür sind im folgenden 5 Kernkompetenzen beschrieben:

Fähigkeit zur Reflektion und sinnvollen Bedeutungsgebung

Entscheidungs- und Handlungskompetenz

Kreativität und die Fähigkeit des Querdenkens

Soziale Kompetenz

 Medienkompetenz

Fähigkeit zur Reflektion und sinnvollen Bedeutungsgebung

  • Die Verarbeitung und Bewertung von Erfahrungen und Informationen erfolgt auf der
    Basis des subjektiv Gelernten.
  • Informationen (und Erfahrungen) erhalten eine Bedeutung, wenn sie eine Entsprechung
    zu den persönlichen inneren „Landkarten der Realität“ haben und in diese integrierbar sind.Bei der Schulung von Denk- und Reflektionsfähigkeit ist es wichtig, dass die Wertschätzung und der Respekt vor allem Lebendigen zugrunde gelegt ist.Die Vermittlung von Informationen ist um so effektiver, je mehr es gelingt, einen Realitätsbezug herzustellen, bzw. eine Anbindung an subjektive Erfahrungskontexte zu gewährleisten.Es ist eine hohe Kunst, komplexe Strukturen wahrzunehmen und aus der Vielzahl von Informationen, die in unserer Mediengesellschaft angeboten werden, diejenigen herauszufiltern, die für die persönliche Entwicklung und Lebensgestaltung von Nutzen sind und gleichzeitig im Einklang mit den sozialen und systemischen Gegebenheiten stehen.

Entscheidungs- und Handlungskompetenz

  • Entscheidungen orientieren sich an den gesteckten Zielen.
  • Das Erforschen der eigenen Bedürfnisse und das Experimentieren mit Wahlmöglichkeiten schafft Selbstvertrauen und die Motivation, realistische und realisierbare Ziele anzustreben und zu erreichen.
  • Die Fähigkeit, den gegenwärtigen Standpunkt realistisch einzuschätzen und Schritte in die gewünschte Richtung zu gehen, bildet einen wichtigen Baustein für die Entwicklung der Persönlichkeit.
  • Transparente und ehrliche Kommunikation ist der Motor, um Ziele in die Tat umzusetzen.
  • Jede Entscheidung und jedes Tun hat Auswirkungen (auf die Person selbst und auf Andere).
  • Entscheidungen in „Entweder – Oder“ – Kategorien sind nur manchmal hilfreich.
    Oft eröffnen sie ausweglos erscheinende Dilemmata und haben den Verlust relevanter Werte zur Folge.Bei der Schulung von Entscheidungs- und Handlungskompetenz ist die Erziehung zur Verantwortlichkeit von großer Bedeutung.Entscheidungen und die daraus resultierenden Handlungen sind auf ihre innerpersonelle, soziale und ökologische Verträglichkeit hin zu überprüfen.Verantwortung für sich selbst und Andere zu tragen, heißt auch, die möglichen Auswirkungen des eigenen Tuns zu reflektieren
    und gegebenenfalls Entscheidungen zu revidieren.

Strukturelle Grundlage für Entscheidungsprozesse können sein:

  • Entweder – Oder – Kategorien
  • Sowohl – Als – Auch Kategorien
    (das Nutzen durchaus gegensätzlich erscheinender Positionen durch Adaption der zugrunde liegenden Werte)
  • Kompromissbereitschaft

Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse lassen sich strategisch wie folgt skizzieren:

  • Klärung von Bedürfnissen
  • Sammeln von Informationen
  • Entwicklung von Ideen, Zielsetzung
  • Überprüfung auf Verträglichkeit
  • Erforschung von Realisierungsmöglichkeiten und Alternativen
  • Planung und Organisation
  • Durchführung

Bildungsträger haben hier eine verantwortungsvolle Aufgabe:

sie können die Jugendlichen dazu motivieren

  • sich für Themen (und Menschen) zu begeistern
  • ihre Ziele zu erreichen
  • Kritik als Anregung zu verstehen

Bildungsangebote sollten so beschaffen sein, dass sie das Selbstbewusstsein fördern und dadurch eine lebendige Motivationsgrundlage bilden.

Kreativität und die Fähigkeit des Querdenkens

Die Themen unserer Gesellschaft sind durch ihre Vielseitigkeit und Vernetztheit von komplexer Beschaffenheit.
Grosse Herausforderungen, ganz gleich ob persönlicher oder globaler Art, fordern geradezu kreative Lösungen heraus.

Persönliche Herausforderungen:

  • Zukunftsperspektiven und Gestaltungsmöglichkeiten
  • Liebe, Partnerschaft, Sexualität
  • Beziehung zwischen Eltern und Kindern

 Globale Herausforderungen:

  • Umweltschutz, Wirtschaftliche Entwicklung
  • Wertewandel
  • Konflikte zwischen Kulturen und Religionen, Kriege

Schulen sind ein besonderes Übungsfeld im Umgang mit diesen Themen.
Hier (und natürlich auch im Elternhaus) werden frühzeitig die Weichen gestellt für einen rigiden, engstirnigen oder einen kreativ – lösungsbezogenen Umgang.

Kreativität ist in diesem Zusammenhang als Problem – Lösungs – Kompetenz zu sehen, die folgende Komponenten beinhaltet:

  • sozial verträgliche Ideen zu entwickeln, die durchaus von herkömmlichen Denkschemata abweichen (Querdenken).
  • Neuentwicklungen als im Prozess befindlich zu verstehen.
  • Die Bereitschaft, vorhandenes Wissen zu nutzen, und es mit Hilfe aller 5 Sinne interaktiv einzusetzen.

Die Bildungsträger (Schulen und andere) benötigen kreative Lehrer, die in der Lage sind, die Kreativität bei Kindern und Jugendlichen zu fördern.

Erziehung zur Kreativität bedeutet auch Ermutigung

  • zu lebendigen Kontakten
  • zum Querdenken
  • rigide Beschränkungen aufzulösen
  • Fehler machen zu dürfen
  • zur Toleranz und Akzeptanz anderer Menschen und Ideen
  • bereits vorhandene Informationen neu zu verknüpfen und das daraus
    Entstehende auszuprobieren

Soziale Kompetenz

Soziale Kompetenz ist eine entscheidende Qualifikation für die Gestaltung der Zukunft.

Zur sinnvollen Bearbeitung vieler Themenstellungen der Gegenwart und Zukunft ist die konstruktive Zusammenarbeit in Teams, Projektgruppen und größeren sozialen Netzen unerlässlich.

Die Fähigkeit, mit anderen Menschen konstruktiv zu kooperieren ist eine Schlüsselqualifikation moderner Bildung.

Voraussetzung zur Entwicklung sozialer Kompetenz ist eine realistische Selbsteinschätzung:

  • das Wahrnehmen der eigenen Stärken
  • das Bewusstmachen der eigenen Gefühle und Bedürfnisse
  • das Abgleichen der Aspekte der Selbstwahrnehmung mit denen der Fremdwahrnehmung

Selbstüberschätzung, Ellenbogenverhalten, Mobbing, rigides Festhalten am Alten, sind deutliche Zeichen für soziale Inkompetenz.

Soziale Kompetenz beinhaltet ein großes Spektrum von Qualitäten

  • Einfühlungsvermögen, Bewusstsein über die Wirkung von Sprache
  • Kontaktbereitschaft und Aufbau von Beziehungen
  • Eigenes Denken und eigene Bedürfnisse transparent machen
  • Offener, ehrlicher und fairer Umgang mit sich selbst und Anderen
  • Rückmeldungen für sich selbst und Andere
  • Kooperationsbereitschaft, Koordination von Interessen
  • Konflikt – Lösungs – Bereitschaft, Kompromissfähigkeit
  • Die Fähigkeit, sich Unterstützung zu holen
  • Bereitschaft, den eigenen Standpunkt zu erweitern
  • Bereitschaft, neue Erkenntnisse zu erlangen
  • Toleranz gegenüber anderen Menschen, Denkansätzen, Kulturen usw. und die ernsthafte Auseinandersetzung damit
  • Auseinandersetzung mit Vorurteilen und alltäglichen Konflikten in einer kulturell und religiös heterogenen Gesellschaft

Medienkompetenz

In unserer heutigen Mediengesellschaft, die uns tagtäglich mit einer Flut von Informationen überschwemmt, ist eine kluge Beschränkung, eine Auswahl von nützlichen und zieldienlichen Informationen von elementarer Bedeutung.

Moderne Bildungskonzepte zeichnen sich durch eine Flexibilität im Umgang mit gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und globalen Themen aus.

Eine kompetenter Umgang mit medialen Angeboten bedeutet auch die Fähigkeit,

  • das Wesentliche herauszufiltern
  • durch eigenverantwortliches Tun Schwerpunkte zu setzen.

Ganzheitliche Bildung unterstützt und fördert Lernende dabei, aus der Vielzahl von Konsum- und Informationsangeboten bewusst die Aspekte auszuwählen, die für einen kreativen Lernprozess von Nutzen sind. Das Motto einer medienkompetenten Bildung könnte lauten:
Aktiv – reflektive Recherche statt passiver Konsum
Damit Jugendliche die Möglichkeiten haben, die oben genannten Kernkompetenzen zu erlernen und zu erleben, muss das schulische Bildungskonzept dringend und radikal reformiert werden.

Aber auch außerschulische Bildungsangebote müssen die Weichen in Richtung „Ganzheitliche Bildung“ stellen, damit Heranwachsende in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden, und sich selbstbewusst und eigenverantwortlich eine Zukunftsperspektive eröffnen können.