NEUROLINGUISTISCHES PROGRAMMIEREN
Über den (Un) Sinn einer Namensgebung
(von Ralf Savelsberg)
Als Neurolinguist beschäftige ich mich tagtäglich, in der Arbeit mit KlientInnen und AusbildungsteilnehmerInnen, mit der sprachlichen Codierung von Erfahrung.
Wir wissen, dass Erfahrung nicht eins zu eins in Sprache übersetzt werden kann.
Die Linguistik beschreibt 3 Kategorien, die modellhaft verdeutlichen, wie Erfahrungswerte gefiltert und „komprimiert“ in Form von Sprache formuliert werden:
- bestimmte Aspekte werden weggelassen
- andere werden verallgemeinert
- Zusammenhänge und Verknüpfungen mit anderen Erfahrungen werden gebildet
Sprache ist aber nicht nur eine Ausdrucksform von Erfahrung, sie wirkt auch wiederum erfahrungsinduzierend.
In der therapeutischen Praxis ist dieses Phänomen sehr gut zu beobachten:
verallgemeinernde, meist in Ursache – Wirkungs – Zusammenhänge gekleidete Beschreibungen von Problemerleben, verstärken die „Problemtrance“.
Was drückt nun der Name NEUROLINGUISTISCHES PROGRAMMIEREN aus und wie wirkt er ?
PROGRAMMIEREN ist ein Verb und drückt somit eine Tätigkeit aus.
Zu jedem Vorgang des Programmierens gehört jemand, der programmiert, und etwas oder jemand, der oder die programmiert wird.
Diese Informationen nach dem WER und nach dem WEN oder WAS sind hier getilgt.
Richard Bandler, einer der Mitbegründer des NLP, hat einmal großen Wert darauf gelegt, sich selbst und die Absolventen seiner Ausbildungsgruppen als NEUROLINGUISTISCHE PROGRAMMIERER zu bezeichnen.
Die Frage nach dem WER wäre also somit geklärt, und die Frage nach dem WEN oder WAS ergäbe sich logischerweise aus dem Betätigungsfeld der NLPler: Kommunikationssituationen aller Art.
Folgerichtig wären es also die Gesprächspartner, KlientInnen usw., die programmiert werden.
Und genau an diesem Punkt ist die Angst vieler Menschen vor Manipulation begründet:
Das PROGRAMMIEREN im Titel lädt ja förmlich dazu ein, in Manipulationsassoziationen hinein zu gehen.
Wenn man sich Bandler´sche Manuale ansieht, z.B. das über Hypnose, könnte man fast glauben, das wäre auch genauso gewollt.
Geht es doch dort u.a. darum, möglichst trickreich „geniale“ Suggestionen beim Klienten zu platzieren.
In den letzten 25 Jahren, in denen ich als NLP – Lehrtrainer Ausbildungen anbiete,
haben Interessenten vielfach ihre Sorge, bezogen auf Manipulation, artikuliert, und zwar vor allem dergestalt, dass sie befürchteten, dass mit ihnen etwas gegen ihren Willen gemacht werden würde.
Die formulierten Befürchtungen in Bezug auf NLP erinnern mich an Befürchtungen, die in Bezug auf Hypnose geäußert werden.
Doch die Befürchtungen und Ängste sind lediglich eine Seite der Medaille.
Auf der anderen Seite weiß man, dass vermeintliche Manipulationswerkzeuge eine ungeheure Faszination auf Menschen ausüben können.
Wenn nun beide Seiten in einem Menschen vereint sind, und dieser Mensch sich mit diesen gegensätzlichen Anteilen in Therapie oder Beratung begibt, entsteht eine paradoxe Situation:
Einerseits wünscht der/die KlientIn, dass Veränderungs- oder Heilungsimpulse von aussen kommen, ohne dass er dafür Verantwortung zu tragen braucht, und andererseits fürchtet er/sie die Macht des/der TherapeutIn.
In dieser Situation hilft erstmal ein offenes transparentes Gespräch, bei dem Vereinbarungen über die Art der Zusammenarbeit im therapeutischen Kontext getroffen werden.
In der historischen Entwicklung der Hypnose hat es entsprechend den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen unterschiedliche Ansätze gegeben.
Der Ansatz, den die meisten Laien (aber nicht nur die) heute noch mit Hypnose verbinden, ist bekannt als der autoritäre Ansatz. Er ist charakterisiert durch folgende Aspekte:
Das Unbewusste wird als eine Art „tabula rasa“ gesehen, in die Suggestionen eingepflanzt werden.
- Der Hypnotiseur hat Macht über den/die KlientIn
- Der Klient trägt keine Eigenverantwortung,
sondern hat sie an den Experten (den/die TherapeutIn) abgegeben - Die Einzigartigkeit des/der KlientIn findet keine Berücksichtigung
Wie oben schon angedeutet, hat die Hypnose eine Entwicklung vollzogen, so dass man heute vom kooperativen Ansatz spricht.
Diese Kooperation im Kontakt zwischen KlientIn und TherapeutIn ist gekennzeichnet durch das Wissen um
- die Einzigartigkeit und Eigenverantwortlichkeit des/der KlientIn
- die Autonomie des Klienten- und des Therapeuten- Systems
- die Wichtigkeit der Akzeptanz und Würdigung (auch Angleichung)
- die Wichtigkeit von Flexibilität in der Beziehungsgestaltung
- Utilisationsmöglichkeiten
Die Begründer des NLP waren allesamt Schüler von Milton Erickson, dem Begründer der modernen Hypnotherapie.
Schaut man sich den geistigen Nährboden und die davon abgeleiteten Grundannahmen des NLP an, so erkennt man nicht nur deutlich die erickson`sche Haltung, sondern auch die Ideen des sozialen Konstruktivismus:
- Jeder Mensch ist einzigartig
- Wirklichkeit ist nicht objektiv, sie entsteht im „Auge des Betrachters“
- Jeder Mensch hat ein eigenes Modell von der Welt
- Je nach dem, wie ein Mensch ein Ereignis bewertet, je nach der Art der Bedeutungsgebung, konstruiert er seine persönliche Realität
- Menschen reagieren nicht auf Ereignisse an sich,
sondern auf die eigenen inneren Interpretationen der Ereignisse
Diese Liste mit konstruktivistischem Gedankengut könnte weiter fortgesetzt werden.
Jedem NLPler sind diese Sätze bekannt.
Wenn man sie ernst nimmt, könnte man daraus ableiten, dass in Kommunikationssituationen unterschiedliche Welten miteinander in Kontakt kommen. Soll es in diesem Kontakt um Verstehen der subjektiven Realitätskonstruktionen des Gesprächspartners gehen
– und dies gilt insbesondere für den Beratungs- und Therapiekontext – müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein:
- man braucht Interesse, und die Offenheit der Sinne, die andere Person in ihrer
Individualität, mit ihren Werten, Überzeugungen und Kompetenzen kennen zu lernen - man braucht eine wertschätzende Grundhaltung, in der die subjektiven Landkarten
des Anderen akzeptiert und gewürdigt werden - man braucht die Bereitschaft, sich auf eine Weltsicht einzulassen, die anders ist als die eigene, in der es andere Assoziationen gibt, und in der Assoziationen anders miteinander verknüpft sind als in der eigenen
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können entsprechend den Vereinbarungen und Verträgen, unterstützende Angebote für gewünschte Veränderungen gemacht werden.
In der erickson`schen Therapie gibt es einen zentralen Begriff: UTILISATION
Utilisation bezeichnet eine zieldienliche Nutzbarmachung von Aspekten aus dem Klientensystem.
Im NLP ist dieser Ansatz aufgegriffen worden in der Idee des Pacing/Leading.
Utilisation bezieht sich auf:
- die Haltung des/der KlientIn (Körperhaltung, Gesten, kinästhetische Anker)
- die Werte und Überzeugungen des/der KlientIn
- Was er/sie mag und was nicht
- Denk- und Fühlmuster
- Strategische Aspekte (Mikro und Makro)
- Die systemische Dynamik
(wie ein/eine KlientIn eingebunden ist in systemische Zusammenhänge) - Ressourcen und Kompetenzen
Die von Ericksson dokumentierten Fälle sind verwurzelt in diesem Utilisationsansatz.
Was immer du an Informationen hast, erlaube es, dir sie zu nutzen …
Für Jeff Zeig ist dieser Ansatz
eine Philosophie der Effizienz.
Sie macht die Therapie experimentell und erfinderisch und ist die Grundlage für Lösungen.
Wir sagen den Menschen nicht, was sie denken, fühlen und tun sollen.
Im NLP gibt es reichhaltiges Repertoire von Utilisationsmethoden.
Nur – was hat das mit PROGRAMMIEREN zu tun ?
Meiner Meinung nach ist dieses PROGRAMMIEREN irreführend, weil es die Methodenfülle und die darin enthaltene Vielseitigkeit und Kreativität in den Dienst eines einseitigen Leading – Prozesses stellt. Die schöpferischen Möglichkeiten wirken dadurch ärmlich kanalisiert und gebremst.
In den letzten Jahren haben sich im Übrigen viele Kollegen mit der offiziellen Übersetzung dieses P schwer getan. Bei einigen wird es übersetzt als PROZESSARBEIT, in meinem Institut hat die Übersetzung PSYCHOLOGIE seit einigen Jahren Bestand.
Am einfachsten allerdings haben es diejenigen, die NLPt anbieten.
NEUROLINGUISTISCHE PSYCHOTHERAPIE ist glücklicherweise von diesem PROGRAMMIEREN befreit.