Persönlichkeitsanteile

von Ralf Savelsberg

Die Disney-Strategie ist eine Variation von Zielbestimmung.
Sie benutzt die Persönlichkeitsanteile des Träumers, Machers und Kritikers in der benannten Reihenfolge. Ausgehend von einer Vision dessen, was der Klient erreichen will, werden realistische und realisierbare Schritte erkundet, um die Vision umzusetzen.
Aus einer beobachtend reflektiven Position heraus wird dann erforscht:

Was ist gut an den bisherigen Schritten ?
Was fehlt noch ?
Was kann ich verbessern ?

Die neuen Zusatzinformationen werden dann in den Traum, die Vision integriert.
Der Traum verändert sich dadurch und wird realistischer.

Die strategische Abfolge sieht wie folgt aus:

Abfolge
In einem hypnotischen Prozess wird die Abfolge Träumer / Realist / Kritiker anhand eines positiv formulierten Ziels vertieft. Die Wahrnehmungsbausteine verschmelzen miteinander und werden Teil des intuitiven Wissens.

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Für eine erfolgreiche Durchführung der skizzierten Sequenz sollten allerdings 2 wichtige Voraussetzungen erfüllt sein:

  • die Bereitschaft der Persönlichkeitsanteile, miteinander zu kooperieren
  • die Ausgewogenheit des Kräfteverhältnisses der Teile

Und genau da liegt meist eine große Schwierigkeit.
Bei vielen Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, liegt weder eine authentische Kooperationsbereitschaft, noch eine kräftemäßige Ausgewogenheit der Persönlichkeitsanteile vor.

Häufig habe ich erlebt, dass die Kritiker-Instanz eine ganz andere Bedeutung hat als die, die im Disney-Strategie-Setting Voraussetzung ist.

Der innere Kritiker wird oft assoziiert mit einem Elternteil und wird gleichgesetzt mit einer internalisierten Autorität.

Diese Instanz nutzt vorwiegend Du-Botschaften und enthält Wertehaltungen, Glaubenssysteme und Zuschreibungen von wichtigen Bezugspersonen.

Viele Klienten haben von ihren Bezugspersonen eher Negatives über sich oder die Welt gehört.
Sie beschreiben dann innere Dialoge, in denen sie sich verunsichern oder abwerten bzw. in unadäquater Weise mit sich selbst sprechen.

In-Frage-stellen oder boykottieren von Zielsetzungen sind da noch eher harmlose Varianten.
Im schlimmsten Falle treten hier massiv einschränkende Überzeugungen und heftige Angriffe auf der Identitäts- und Zugehörigkeitsebene auf.

Was nutzt uns nun diese doch eher ernüchternde Sichtweise ?

In erster Linie geht es darum, dem, was beim Klienten ist, gerecht zu werden, ihn da abzuholen, wo er ist, und die Themen, die anstehen, zu bearbeiten.
In zweiter Linie geht es darum, eine Kritiker-Instanz zu ermöglichen, die wohlwollend unterstützend und positiv beratend wirken kann, was wiederum eine wichtige Voraussetzung zur Durchführung der Disney-Strategie ist.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine wohlwollende Berater-Instanz eher einem Erwachsenen-Ich entspricht, während die verurteilende Kritiker-Instanz oft aus der Position des Kindes wahrgenommen wird, das sich der verurteilenden Autorität eines Elternteils gegenüber sieht.

Mit anderen Worten: wenn eine negative innere Kritik aktiv wird, so liegt meistens eine spontane Regression des Klienten zugrunde.

Über diesen Gedankengang sind wir nun beim Eltern – Kind – Verhältnis angekommen.

Die Grundstruktur der Familie ist die Triade, also Mann, Frau und Kind.Wenn wir mit einem Familiensystem arbeiten, ist der Fokus der Aufmerksamkeit darauf gerichtet,

  • wie die Beziehungen der einzelnen Familienmitglieder zueinander beschaffen sind,
  • welche Konflikte es gibt,
  • ob Allianzen oder Koalitionen vorhanden sind.

Als Allianz wird eine enge Beziehung bezeichnet.
Als Koalition wird ein (meist geheimes) Bündnis zweier gegen einen Dritten bezeichnet.
Verdeckte oder offene Konflikte werden in Koalitionen oft umgeleitet, so dass das Kind in die elterliche
Auseinandersetzung mit einbezogen ist.
Dann spricht man von Triangulation.

Es ist anzunehmen, dass Erwachsene die Beziehungsmuster in ihren Familien wiederholen, die sie als Kinder in
Beziehung zu ihren Eltern gelernt haben.

Verinnerlichte Elternfiguren und Beziehungsmuster tragen maßgeblich zur Gestaltung der inneren Landkarten für „Beziehung“ bei.

Sie finden ihren sinnesspezifischen Ausdruck in visuellen, kinästhetischen und auditiven Wahrnehmungsbausteinen.

Die Triade von Träumer, Realist und Kritiker ist mit ihren Sinnespräferenzen (visuell, kinästhetisch und auditiv, in dieser Reihenfolge) eine Grundtriade der Wahrnehmung.

Die Frage ist: Wie sind die Entsprechungen zwischen der Disney – Triade und einer Familientriade ?

Im vorangegangenen Text wurde schon angedeutet, dass die Kritiker-Position meistens mit einem Elternteil assoziiert wird.

Die Träumer – Position ist oftmals mit dem Kind – Ich, der Realistenanteil mit dem zweiten Elternteil assoziiert.

Ein erster wichtiger Schritt in der Arbeit mit diesen Persönlichkeitsanteilen ist immer zuerst eine Ausbalancierung der Teile, bzw. der Introjekte, mit dem Ziel einer guten Zusammenarbeit.

Dafür braucht es eine sorgfältige Analyse der gegenwärtigen Situation und dann ein Verhandlungs – und Klärungsprozess zwischen den Anteilen.

Beispiel:

Ein Teilnehmer legt für die Disney – Positionen Gegenstände als Anker im Raum aus.
Er wird gebeten, genau nachzuspüren, wie diese Anteile miteinander in Beziehung stehen und das durch die Anordnung der Raumanker zu verdeutlichen.

Er legt folgendes Bild:

TMK1
Der Teilnehmer (TN) schaut sich die Konstellation aus der Meta – Position heraus an und spricht über Nähe und Distanz zwischen den Teilen. Auf die Frage , wie in diesem System Dominanz, Größe, Macht aufgeteilt sind, formuliert der TN das Machtverhältnis wie folgt:

T 10 %
M 20 %
K 70 %

Um auf der Beziehungsebene noch mehr Informationen zu bekommen, wird der TN eingeladen, Personen aus der Gruppe auszuwählen und den entsprechenden Positionen zuzuordnen.
Der TN wählt für den Träumer-Anteil einen jungen Mann, für den Macher-Anteil eine Frau und für den Kritiker-Anteil einen zweiten Mann aus. Nun werden die Machtverhältnisse dargestellt:

Der T – Stellvertreter sitzt,
die M – Stellvertreterin sitzt etwas höher,
der K – Stellvertreter steht erhöht.

Die Blickrichtung der 3 Anteile ist wie folgt:
TMK2
Der TN erhält die Aufgabe, für jeden Stellvertreter einen charakteristischen Satz zu formulieren.

Die Stellvertreter wiederholen ihre Sätze und werden gefragt, wie es ihnen geht:

T: Ich kann mir alles mögliche vorstellen, aber ich fühle mich klein und alleine.
M: Ich mache viel, fühle mich oft hilflos und überfordert.
K: Ich trage die Verantwortung, muss alles unter Kontrolle haben. Das ist alles sehr anstrengend.

Die Stellvertreter werden eingeladen, aus dem Gefühl in der Position heraus weitere Sätze zu formulieren und ins Gespräch mit den anderen Anteilen zu kommen.

Der TN äußert aus der Beobachter – Position heraus, dass ihn diese Gespräche sehr an seine Herkunftsfamilie erinnern, dass da die gleichen Interaktionsmuster ablaufen. Was die Rollen betrifft, so sieht TN in

  • T sich selbst als Kind,
  • M seine Mutter,
  • K seinen Vater.

Es wird deutlich, dass der Sohn in Allianz mit der Mutter ist, die Mutter ihrerseits in ihrer Hilflosigkeit auf den Vater ausgerichtet ist, dem wiederum alles zuviel ist, der aber dem Zwang unterliegt, alles unter Kontrolle haben zu müssen.

Die Beziehung zwischen M und K zeichnet sich aus durch große Enttäuschungen auf der Seite von M und durch die zwanghaften Versuche von K, alles im Griff zu haben.
T ist derjenige, der von M nicht das bekommt, was er braucht, weil M ja in ihrer Enttäuschung auf K fixiert ist. K seinerseits ist sehr streng und strafend.

Die Stellvertreter werden nun eingeladen, ihre Wünsche zu äußern, und zu formulieren, was ihnen am meisten fehlt.

Im Rollenspiel ist deutlich geworden, dass es unausgesprochene Konflikte zwischen M und K bzgl. Ihres Ehelebens gibt.

In Folge dessen wünscht sich K Entlastung durch M.
Er sagt: Ich kann es nicht alleine schaffen. Es ist zuviel für mich. Es wäre schön, wenn du mir hilfst.
M wünscht sich mehr Nähe und liebevolle Beachtung von K.
T wünscht sich mehr Beachtung und wohlwollende Unterstützung.
Nachdem die Stellvertreter ihre Wünsche geäußert haben, ist eine deutliche Erleichterung bei allen festzustellen.
Auch hat sich die Position der 3 Rollenspieler verändert. Die vormals große Distanz zwischen M und K ist aufgehoben.
Es hat eine Annäherung stattgefunden. Auch T hat jetzt einen Platz gefunden, an dem er sich mehr beachtet fühlt. Die Initiative für eine Balance in der Beziehungsstruktur ist ergriffen.

Die neue Konstellation zeigt sich wie folgt:
TMK3

Der TN wird nun eingeladen, in die Position von T zu assoziieren und sich zu erlauben, die neuen Gefühle zu erleben. Die Machtverhältnisse haben sich wie folgt geändert:

T 30 %
M 35 %
K 35 %

Dann werden die Stellvertreter aus ihren Rollen entlassen.
Der TN wird eingeladen, das Bild der Kooperation und des offenen konstruktiven Gespräches, sowie die erlebten Gefühle mitzunehmen.
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Im Grunde ist dieser Prozess ein Re-Imprinting im Rahmen einer Aufstellung der Grundtriade der Herkunftsfamilie.

Durch diese Neuprägung wird auf positive Weise Einfluss genommen auf die verinnerlichten Beziehungsmuster aus der Herkunftsfamilie.

Die inneren Persönlichkeitsanteile können auf neue Weise miteinander kommunizieren und kooperieren. Das braucht Übung.
Und dafür ist die Disney – Strategie gut geeignet.
Dort gibt es dann eine Kritiker – Instanz, die mehr die Aufgabe eines aufmerksamen, reflektierenden und unterstützenden Beraters hat.